Allgemein, Ferkelkastration, Kommentar, Schweinehaltung

Auf dem Weg zum Bruderferkel…

Kennt Ihr den Begriff des Bruderhahns?

Bruderhähne sind die „Brüder“ der Legehennen – sie legen jedoch keine Eier und setzen weniger Fleisch an, so dass sie sich nur suboptimal zur Mast eignen. Sie werden in vielen Fällen direkt nach dem Schlüpfen betäubt und getötet. Sie dienen so als Tierfutter.

4,-€ weniger für ein Eberferkel

Wie komme ich nun auf Bruderferkel? Dazu muss ich ein wenig ausholen: bis zum 31.12.2020 ist es noch erlaubt, die Ferkel ohne Betäubung (also ohne Schmerzausschaltung) zu kastrieren. Ab dem 01.01.2021 ist diese Praktik dann (hoffentlich) Geschichte. Es gibt bisweilen vier Alternativen:

  1. die Ebermast, d.h. die Ferkel bleiben unversehrt und werden auch als Eber gemästet
  2. die Immunokastration, d.h auch hier bleiben die Ferkel unversehrt und werden dann zweimal mit einer Art Impfstoff gespritzt, so dass sie „immunologisch“ kastriert werden.
  3. die Inhalationsnarkose, d.h. hier werden die Ferkel mittels eines Narkosegases (Isofluran) betäubt, erhalten zusätzlich ein Schmerzmittel und werden dann chirurgisch kastriert. Dieses darf nach einer Schulung der Landwirt selber durchführen.
  4. die Injektionsnarkose, d.h. die Ferkel werden mit einer „Mischinjektion“ vom Tierarzt narkotisiert und dann chirurgisch kastriert.

Bei den Varianten 1 & 2 bleiben die Ferkel „Eberferkel“, bei den Varianten 3 & 4 werden die Ferkel weiterhin kastriert, so dass sie zum „Kastraten“ oder „Börgen“ werden.

Nun hat sich die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch in Nordwest- und Ostdeutschland (VEZG) überlegt, die Notierung (das ist letztendlich der Basispreis, nachdem wir und viele andere Ferkelerzeuger ihre Ferkel bezahlt bekommen) dementsprechend anzupassen: mit dem Verbot der betäubungslosen Kastration soll es einen Zuschlag von 2,-€ für männliche und weibliche Ferkel geben, wenn die männlichen chirurgisch kastriert wurden. Anders gesagt, ab dem 01.01.2021 ist ein Eberferkel 4,-€ weniger wert als ein anderes Ferkel.

Bruderferkel

Der jetzige Vorschlag der VEZG ist in meinen Augen definitiv ein falsches Zeichen, denn so sind wir auf dem besten Weg hin zum „ungewollten“ Bruderferkel. Ich frage mich, mit welcher Begründung sind Ferkel aus Partien mit unkastrierten Ebern 2,-€ weniger wert? Für mich ist das eine Blockade des Ausstiegs aus der chirurgischen Kastration. Und es gäbe eine wesentlich bessere Lösung:

Bonus vs. Notierung

Für mich gibt es eine deutliche bessere Lösung, die sich auch im Bereich der Impfungen schon durchgesetzt hat: der Bonus. Wie ich oben schon erwähnt habe, ist die Notierung eine Art „Basispreis“. Zum Basispreis kommen in der Regel noch Boni, die zwischen Mäster (Viehhändler) und Ferkelerzeuger individuell ausgehandelt werden. Einen Bonus gibt es beispielsweise für Impfmaßnahmen, die der Ferkelerzeuger bei seinen Ferkeln für den Mäster durchführt.

Wenn nun ein Mäster chirurgisch kastrierte Ferkel haben möchte, soll er seinem Ferkelerzeuger das Kastrieren bezahlen. Meiner Meinung nach kann und sollte das nicht über die VEZG Notierung gelöst werden. Boni müssen direkt und individuell zwischen Ferkelerzeugern und Mästern ausgehandelt werden, sowohl bei Impfungen als auch bei der Kastration.

Wir haben im deutschen Tierschutzgesetz ein Amputationsverbot stehen und den Tierschutz im Grundgesetz verankert – mittel- bis langfristig müssen wir komplett aus der chirurgischen Ferkelkastration aussteigen, denn es gibt mittlerweile bessere Wege. Es darf nicht sein, dass dieses von Seiten der Vermarkter blockiert wird.

Heini ist diesbezüglich ähnlicher Meinung wie ich:

Nach dieser „Androhung“ wird der geteilte Ferkelmarkt mit Sicherheit kommen. Für mich ist das ein Sündenfall . Eberferkel werden ohne Not schlecht gemacht . Man kann das mit Markttransparenz begründen, ich halte es aber eher für vorauseilendem Gehorsam der VEZG und der Kammer in Niedersachsen, die den ausländischen Mitbewerbern klar macht, für wie viel Aufpreis sie ihre nicht nach deutschen Vorgaben kastrierten Eber verkaufen können. Ob diese Organisationen die Interessen der deutschen Sauenhalter dabei vertreten haben, bezweifle ich. Denen ging es hauptsächlich um einfaches Arbeiten. Eine bessere Lösung wäre es in meinen Augen gewesen, die Kosten der einzelnen Verfahren und ihre Erlösmöglichkeiten sauber zu kalkulieren, und so den Landwirten eine Orientierung zu geben. Stattdessen gibt es die einfache Aussage, der Eber sei 4€ weniger wert. Danke für nichts! 

Weiterführende Links:

Agrarheute Meldung zur VEZG Notierung

ISN – Stimmen zur VEZG Notierung